Mein Garten

Mein Garten ist schön. Mein Garten ist gemütlich. Mein Garten ist nicht dein Garten. Mein Garten ist ein Walled Garden.

Dieser Ausdruck wird häufig verwendet, um eine sehr verbreitete Unternehmensstrategie in der Technologiebranche zu umschreiben: Meine Produkte sind auf Prozesse angewiesen, die unter meiner Kontrolle stehen. Dies bezieht sich auf mindestens einen dieser Punkte: Software, Hardware, Dateiformate und Protokolle.

Software

Die Betriebssysteme und digitalen Marktplätze können entscheiden welche Programme und Inhalte ich nutzen und beziehen kann. Noch tiefer im System ist heutzutage sogar das UEFI – ein Ersatz für das angestaubte BIOS – teilweise in der Lage zu kontrollieren, welche Betriebssysteme ich installieren kann.

Hardware

Durch herstellerspezifische Anschlüsse wird sichergestellt, dass ich nur bestimmte, zertifizierte Geräte anschließen kann oder teure Adapter kaufen muss. Einige Geräte detektieren Ersatzteile (etwa Akkus oder Tinte) von Drittherstellern und verweigern die reibungslose Zusammenarbeit: Stromsparfunktionen werden abgeschaltet oder übermäßig Tinte verbraucht.

Dateiformate und Protokolle

Undokumentierte Dateiformate und Protokolle zwingen die Benutzung von bestimmter Software. Patentierte Dateiformate im Multimedia-Bereich erfordern eine Lizenzierung für die Implementierung in Hard- oder Software.

Kontrolle

In kontrollierten Umgebungen ist das Geschäftsmodell für Firmen deutlich klarer, als in einem offenen Ökosystem: Die Kunden sind auf dich angewiesen und müssen deine Produkte kaufen. Das Unternehmen muss sich auch nicht so viel um die Dokumentation kümmern. Es ist ja sowieso besser, wenn kein einzelner Mitarbeiter Wissen über das gesamte Produkt hat.

Weiterhin kann die reibungslose Funktion durch Tests und Zertifizierung sichergestellt werden. Sicherheit gegen Angriffe wird häufig als Argument gebracht – es wisse ja schließlich niemand, wie die Systeme intern arbeiten. Leider ist dieses Argument zahnlos: gerade verbreitete proprietäre Produkte sind das Ziel von Angriffen.

Für Software kann die Konsistenz von Aussehen und Benutzerführung erzwungen werden. Erfüllt ein Programm oder ein Inhalt die Anforderungen an Design oder Moralvorstellung nicht, ist dies einfach nicht verfügbar oder nutzbar. Bedauerlicherweise geht die Konsistenz verloren sobald man mit anderen Systemen interagieren muss.

Offenheit

Offene Software zeichnet sich durch den freigelegten Quellcode aus. So kann ein Experte die geforderte Funktionalität und Kompatibilität überprüfen, Fehler beheben und ungewollte Funktionen entfernen. Viele Endkunden wollen den Quellcode gar nicht sehen, doch das müssen sie auch nicht. Offen dokumentierte Hardware und Dateiformate bzw. Protokolle können von verschiedenen Implementierungen umgesetzt werden, die sich dann besser in ihre spezielle Zielumgebung einbetten.

Durch die freie Verfügbarkeit und Dokumentation (notfalls auch Quellcode) kann Konkurrenz die Innovationen fördern. Außerdem ist so sichergestellt, dass die Dateiformate auch in Zukunft noch lesbar und verwendbar sind – auch wenn der ursprüngliche Hersteller nicht mehr existiert oder das Produkt eingestellt hat.

Weiche Faktoren

Oft vergessen werden die weichen Faktoren: Ein geschlossenes System lässt die Nutzer nicht hinter die Mauern sehen. Bei Fragen und Empfehlungen kann ein Nutzer nur Information zu „seiner“ Plattform geben. Andererseits ist gleichzeitig ein Außenstehender nicht in der Lage in den Garten zu schauen. So ist ein Vendor Lock-In immer auch ein Lock-Out.

Freiheit?

Ich bin ein Befürworter offen dokumentierter Produkte und frei verfügbaren Quellcodes. Ich versuche Lösungen zu finden, die auf verschiedenen Plattformen lauffähig sind. Unglücklicherwiese ist das nie so gut umsetzbar, wie man das haben will. Den Effekt des Lock-Outs habe ich erst in den letzten paar Jahren richtig zu spüren bekommen – sowohl bei mir, als auch im Gespräch mit anderen Menschen. Wirklich frei ist so leider niemand. Wenn ihr mit Leuten aus anderen Ökosystemen redet, achtet mal darauf. Ihr werdet euch wundern wie gestört die Wahrnehmung ist. Jedem seine Blase!

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  1. #1 von laclaro am 2013-06-20 - 11:11

    Schöner Artikel! Dokumentation ist leider tatsächlich außerhalb der Community-basierten Software oft ein Fremdwort. Da gibt es eine Installationsanleitung für doofe Endbenutzer (klicken Sie bitte auf weiter und installieren Sie die XXX-Toolbar), aber das war’s auch.
    Das hat meiner Meinung nach einen einfachen Grund: Firmen die kommerziell entwickeln müssten einen Teil der Zeit ihrer Mitarbeiter reservieren, um die entsprechende Dokumentation anzufertigen. Vielleicht wird auch manchmal die Vorgabe gesetzt. Allerdings sind alle Firmen chronisch Unterbesetzt, um „wettbewerbsfähig“ zu bleiben. Und bei den Chefs, die vielleicht auch gar nicht aus dem IT-Bereich kommen, ist „Dokumentation“ kein vorzeigbares Arbeitsergebnis. Die fällt dann wegen des großen Drucks unter den Tisch.

    Ist es nicht so?

    Für mehr community-basierte freie Inhalte!

    • #2 von Adoa am 2013-06-29 - 00:48

      Yay! Folgt mir alle in die Diaspora*! Dort kann man endlich jeden ausschließen, der nicht auch Teil des Netzwerkes ist :-/

      Was die Wartbarkeit und Dokumentation von Code angeht: Das ist wirklich schlimm. Nicht zuletzt deswegen wird alle paar Jahre jede Software von Grund auf neu geschrieben oder komplett ersetzt. Bei einigen der alten Dinosaurier würde ich mir aber langsam mal wünschen, dass sie von Grund auf neu geschrieben werden. Hallo TeX!

  2. #3 von Sören am 2013-06-28 - 23:07

    Ich hab das Gefühl dieser ganze digitale Mist ist schiefgegangen. Wir sollten das ganze Computerding für Privatverbraucher abwickeln. In den Siebzigern sind die Leute auch klar gekommen.

    • #4 von Adoa am 2013-06-29 - 00:42

      Der eigentliche Fehler besteht ja immer noch darin, jemals von den Bäumen herunter gekommen zu sein. Damals™ ging es den meisten Menschen (sic) ja auch noch gut – und es gab auch viel weniger Umweltverschmutzung.

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